Verbot zum Tragen und Zeigen der Fahnen von YPG, YPJ und PYD aufgehoben!

Solidarität siegt: Das Bayerische Oberste Landesgericht hat das Verbot zum Tragen und Zeigen der Fahnen von YPG, YPJ und PYD aufgehoben! Auch das Amtsgericht Duisburg urteilt: Zeigen des YPG-Symbols kein Straftatbestand! Wir freuen uns mit den betroffenen Genoss*innen und dokumentieren beide Artikel.

Solidarität siegt: Verbot zum Tragen und Zeigen der Fahnen von YPG, YPJ und PYD aufgehoben!

„Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen.“ Mit diesen Worten erteilte das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) der Münchner Staatsanwaltschaft und dem Staatsschutz heute Vormittag eine Klatsche. Mit dieser Entscheidung im Revisionsverfahren endet vorerst die seit über drei Jahren andauernde Verfolgung derjenigen, die aus Solidarität öffentlich die Fahnen der kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ (Yekîneyên Parastina Gel / Yekîneyên Parastina Jin) zeigen.

Antirepressionskampagne der Roten Hilfe e. V.

2018 startete die Rote Hilfe e. V. eine Antirepressions-Kampagne mit dem Titel „Solidarität Sichtbar machen“. Die Initiative war nötig, da zahllose Aktivist*innen in ganz Bayern willkürlich kriminalisiert wurden, nachdem sie Fahnen der YPG und YPJ auf die Straße trugen oder Bilder davon in den sozialen Netzwerken teilten. Spezialeinheiten der bayerischen Polizei stürmten Demonstrationen, brachen Wohnungstüren auf, beschlagnahmten Computer und Handys und verschickten Anklageschriften wegen des Zeigens verbotener Symbole. Mit der Kampagne schuf die Rote Hilfe Öffentlichkeit für die Thematik und konnte zahlreiche Betroffene finanziell unterstützen.

Der Prozess

Der heute freigesprochene Genosse steht seit über zwei Jahren vor Gericht. Nachdem er bei einer Demonstration gegen Erdogans Angriffskrieg auf Efrîn mit einer YPJ-Fahne protestierte, klagte ihn die Münchner Staatsanwaltschaft wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz an. Sie bezog sich dabei auf das Verbot der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) aus dem Jahr 1993 und auf ein politisch Konstrukt zur Unterstützung der Erdogan-Regierung und deren Expansionsbstrebungen. Weil die Staatsanwaltschaft den Freispruch durch das Amtsgericht München aus dem Jahr 2019 nicht anerkennen wollte, kam es zur Sprungrevision und heutigen Verhandlung vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht.

Mit dem heutigen Urteil scheiterte der großangelegte Versuch der Münchner Staatsanwaltschaft, Solidarität mit der YPG und der YPJ zu kriminalisieren. Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte fest, dass die Fahnen der syrisch-kurdischen Organisationen YPG und YPJ nicht verboten sind. In seinem Plädoyer forderte Mathes Breuer, einer der beiden Verteidiger, von der Staatsanwaltschaft „sämtliche Verfahren hinsichtlich der YPG und YPJ Fahnen sofort einzustellen und die Gerichte, soweit die Verfahren dort anhängig sind, schnell zu terminieren und die Angeklagten freizusprechen.“ Dieser Forderung schließt sich die Rote Hilfe uneingeschränkt an. Die Rote Hilfe kritisiert außerdem, dass exil-oppositionelle Aktivist*innen aufgrund rechtskräftig gewordener Urteile in niedrigeren Instanzen, als sogenannte „kriminelle Ausländer*innen“ ausgerechnet in die Türkei ausgewiesen werden sollen – wo ihnen Haft und Folter droht.

Die Fortsetzung der politischen Repression durch die Ausländerbehörden ist angesichts dieses langerwarteten Urteils ein Skandal. Eine, ebenfalls vom nun aufgehobenen Verbot betroffene Person, stellte treffend fest: „Es handelt sich bei diesen Verfahren nicht um nun geklärte, juristische Spitzfindigkeiten, sondern um einen politischen Angriff. Doch auch wenn dieser – vermutlich nicht letzte Versuch – dieses Mal an ihren eigenen Rechtsstandards gescheitert ist, so profitiert Deutschland zum Beispiel mit Waffenexporten und dem Flüchtlingsdeal weiterhin vom türkischen Imperialismus im Nahen Osten. Die BRD war und ist deshalb stets gewillt, die Forderungen der Türkei nach Unterstützung bei der Verfolgung der demokratischen Oppostioneller zu erfüllen.

Erst im Juli diesen Jahres wurden zehn Menschen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie die – nur in der Türkei verbotene Partei – TKP/ML unterstützt haben sollen.“ Darauf zu bestehen, weiterhin die Symbole der YPG und YPJ in der Öffentlichkeit zu zeigen und trotz der Vehemenz, die die Repressionsbehörden in diesen Fällen an den Tag gelegt haben, weiterzukämpfen hat sich gelohnt.

Die Rote Hilfe e.V. OG München freut sich mit den betroffenen Genoss*innen über den Freispruch.

 

Amtsgericht Duisburg lehnt Antrag der Staatsanwaltschaft ab: Zeigen des YPG-Symbols kein Straftatbestand

Das Amtsgericht Duisburg hat in einem Beschluss vom 13. November 2020 den Antrag der örtlichen Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Einer Angeschuldigten hatte sie vorgeworfen, während einer Versammlung am 9. Oktober 2019 in Duisburg „für mehrere Minuten“ eine Fahne mit dem Symbol der kurdisch-nordsyrischen Volksverteidigungskräfte YPG geschwenkt zu haben. Zudem habe sie in unmittelbarer Nähe anderer Personen mit YPG-Fahnen „zwei Mal hintereinander“ die Parole „PKK“ gerufen, um auf diese Weise die Verbindung zwischen YPG und PKK herzustellen. Anlass der Versammlung war der Einmarsch der Türkei in Syrien und hatte das Motto „Efrîn soll leben – Türkei raus aus Rojava“.

Ihr Verteidiger, Rechtsanwalt Yener Sözen, hatte in dem Verfahren vorgetragen, dass das Zeigen der YPG-Fahne erlaubt sei und das Skandieren der Parole „PKK“ keinen Verstoß gegen das Vereinsgesetz darstelle. Auch das Gericht vertrat die Auffassung, dass das der Angeschuldigten vorgeworfene Handeln keinen Straftatbestand erfülle. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn es sich bei der Fahne mit dem YPG-Symbol um das Kennzeichen eines verbotenen Vereins gehandelt hätte. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, dieses Emblem werde auch von der verbotenen PKK „usurpiert“, teilte das Gericht nicht. Schließlich seien auch Ähnlichkeiten der Symbole beider Organisationen nicht erkennbar.

Zur Frage, ob die beiden „PKK“-Rufe strafbar gewesen sein sollen, erläuterte das Amtsgericht, dass die Beschuldigte polizeilichen Feststellungen zufolge zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Besitz der YPG-Fahne gewesen sei und zwischen beiden Vorfällen eine „deutliche Zäsur“ vorgelegen habe. Denn der Versammlungsleiter habe nach Aufforderung der Polizei die Teilnehmer*innen per Lautsprecherdurchsage aufgefordert, das Zeigen der Fahnen zu unterlassen. Sodann habe sich die Demonstration in Bewegung gesetzt – bevor die Angeschuldigte „PKK“ gerufen haben soll. Außerdem – so das Gericht – stelle das Rufen des Namens einer verbotenen Organisation „für sich“ kein „Verwenden eines Kennzeichens“ dar, weil es sich bei einem Namen als solchem nicht um ein „Kennzeichen“ handele.

Schlussendlich sei der Angeschuldigten das Schwenken einer YPG-Fahne durch eine dritte Person und das gleichzeitige „PKK“-Rufen als „eigene“ Tat nicht zuzurechnen. Dies würde den Wortsinn des „Verwendens“ sprengen und verstieße gegen das „Analogieverbot“.

Aktenzeichen: 204 Cs-114 Js 210/19-215/20

AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für
Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln
05. Dezember 2020